12.01.18
AKG Traunstein: Zeitzeugen ziehen Publikum in Bann
Traunstein - "Ihr Deutschen sollt keine Schuld- sondern Verantwortungsgefühle haben!" Deshalb sei der Holocaust-Gedenktag da, mahnte Anita Lasker-Wallfisch (93) gestern Abend hunderte beeindruckte Menschen im Anette-Kolb-Gymnasium Traunstein. Gemeinsam mit Niklas Frank (78), las die Holocaust-Überlebende Auszüge ihrer persönlichen Lebensgeschichte.
Wäre eine Münze gefallen, hätte sie jeder hallen gehört - so leise war es im Foyer des AKG, als die beiden Zeitzeugen ihre konträren Geschichten vortrugen. Zwei Geschichten, die unterschiedlicher nicht hätten sein können, jedoch durch einen gemeinsamen Nenner für ewig miteinander verbunden sind: DIe grausamen Nazi-Verbrechen im Dritten Reich.
Auf der einen Seite Anita Lasker-Wallfisch, Überlebende der Vernichtungslager Auschwitz und Bergen/Belsen. Auf der anderen Seite Niklas Frank, Sohn von Hans Frank, einem Hauptkriegsverbrecher des 2. Weltkriegs, angeklagt in den Nürnberger Prozessen. Opferidentität versus Täteridentität - wahrlich "eine außergewöhnliche Begegnung", wie bereits der Titel der Lesung ankündigte. Von einer angespannten Stimmung zwischen den beiden jedoch keine Spur. Im Gegenteil: Die beiden verbindet eine Freundschaft, Lasker-Wallfisch sei einer der "beeindruckendsten Menschen" die Frank je kennenlernen durfte. Kennengelernt hatten sie sich bei einer Zigarettenpause, die Hintergründe des jeweils anderen erfuhren sie erst später.
Im Anschluss der beiden rund eineinhalbstündigen Lesungen stellten sich die Referenten den Fragen des Publikums. Die anfänglich ehrfürchtige Zurückhaltung des Publikums wich im Laufe der Fragerunde, es entstand ein angeregter Dialog zwischen Lasker-Wallfisch, Frank und den Zuhörern sowie Zuhörerinnen. Stehende Ovationen am Ende der Veranstaltung gaben der "außergewöhnlichen Begegnung" den würdigen abschließenden Rahmen.
Das Fazit des Abends: Sowohl Anita Lasker-Wallfisch als auch Niklas Frank sind zwei tolle Menschen, die eine unglaubliche Stärke ausstrahlten. Was bei allen hängen blieb, ihre Botschaft an die Deutschen: "Hört nicht auf zu erinnern und vergesst nicht!" Denn das Erinnern sei nur der kleinste Schritt, um die Geschehenisse des 2. Weltkriegs nicht in Zukunft zu wiederholen. Sowohl Lasker-Wallfisch als auch Frank zeigten sich besorgt im Hinblick auf die aktuellen politischen Entwicklungen im Land. Man müsse gegen den Rechtsruck aufstehen und sich lautstark dagegen wehren - für immer.
Angelina Kwoczalla, BW-Redaktion