06.02.19
Der Kampf gegen das eigene Bürokratie-System

Berchtesgadener Land – Kämpfen. Darin liegt die Kernkompetenz eines jeden Soldaten. Anstatt jedoch gegen den Feind zu kämpfen, kämpft die deutsche Bundeswehr momentan gegen das eigene System.
Nachwuchsmangel, fehlende Ausrüstung und das „Bürokratie-Monster“ haben die Bundeswehr heimgesucht, wie erst kürzlich der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels in seiner Jahresbilanz erneut bestätigte. Vor allem Letzteres sei das Problem bei den heimischen Bundeswehrstandorten. Zumindest dann, wenn es um die größte Truppenabteilung in der Region geht: die Gebirgsjägerbrigade 23.
Rund 4.500 Männer und Frauen stellen die Gebirgsjägerbrigade 23. Ein großer Teil davon ist in der Hochstaufen-Kaserne in Bad Reichenhall und in der Jägerkaserne in Bischofswiesen untergebracht. Die Tendenz - steigend. Denn bis 2020 werden knapp 750 Anwärter ihren Fuß über die Schwelle der Gebirgsjägerbrigade setzen. Die Frage nach dem Nachwuchs scheint also vorläufig gesichert. Laut dem vorstehenden Brigadegeneral Jared Sembritzki sei sie zumindest zufriedenstellend. „Früher kamen auf bestimmte Posten rund zehn Bewerber“, mittlerweile seien es nur noch zwei bis drei Bewerber, erklärt Sembritzki. Doch kein Grund zur Besorgnis. Denn schließlich seien die Soldaten im Gegensatz zu den vorherigen Jahrzehnten freiwillig bei der Bundeswehr, wodurch zahlenmäßige Einbußen zustande kamen. Im gleichen Zug sei dafür die Motivation und auch die Qualität der Gebirgsjäger stark angestiegen.
Ebenso der Ausrüstungsmangel sei nicht besorgniserregend. „Der Vorteil ist, dass Gebirgsjäger nicht auf Groß-Geräte angewiesen sind“, so Sembritzki. Natürlich hätte der ein oder andere Soldat gerne eine Hose oder ein Nachtsichtgerät mehr. Doch wen interessiere das tatsächlich, wenn es Krieg gebe? „Da müssen die Soldaten im Notfall auch im Trainingsanzug das Haus verlassen“, fügt Sembritzki mit einem leidenschaftslosen Lächeln an.
Was dagegen tatsächlich schnellstmöglich bewältigt werden müsse, sei die hausgemachte Bürokratie bei den Gebirgsjägern. „Das Absicherungsdenken“ und „permanente Verschriftlichen aller möglichen Vorgänge“, darin sehe Sembritzki die eigentliche Problematik. Die Bürokratie führe letztlich dazu, dass Soldaten ein fehlendes Verantwortungs- und Entscheidungsbewusststein entwickeln würden. Im Krieg gehe es jedoch vor allem darum Entscheidungen zu treffen. Schließlich geht es um Leben und Tod. Ohne die Bereitschaft eine Entscheidung zu treffen, seien die Gebirgsjäger letztlich im Kampf gegen den Fein chancenlos. Deshalb werde in Zukunft bei der Ausbildung der Gebirgsjägerbrigade 23 der Fokus auf die Einsatzbereitschaft der Soldaten wieder verstärkt in Angriff genommen. Das hat sich der Brigadegeneral Jared Sembritzki für das kommende Jahr fest vorgenommen.
Angelina Kwoczalla